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Eine Zwischendurchgeschichte

Ich kenne eine Katze. Sie ist rot-weiß-schwarz gefleckt. Ist ein Wildling. Und ich kenne den Mann, dem sich das Tier angeschlossen hat. Er ist ein sehr netter, sehr sympathischer, sehr tierlieber älterer Herr, dem die Fellnase unendlich viel bedeutet. Woher sie kam, weiß er nicht, irgendwann stand sie als erwachsene Katze vor ihm und er nahm sie in sein Paradies auf, das zwei große Seen, Wiesen, soweit der Blick reicht und viele Bäume umfasst.

 

Nun verhält sich das mit dem Kätzchen so: diese, nennen wir sie Molly, die mittlerweile 18 Jahre auf dem Buckel hat, litt vor Jahren unter einem Tumor am rechten Auge, woraufhin die Tierärzteschaft ihr das befallene Organ entfernte. Einäugig ließ es sich für sie eine lange Zeit sehr gut leben. Leider tauchte in diesem Frühsommer krankes Gewebe unterhalb des linken, lange Zeit gesunden Auges auf.

 

Eine Streitfrage entbrannte, die Kreise zog und immer noch zieht:

 

Setzt man die alte Kätzin einer weiteren Operation aus, die sie im besten Fall blind werden ließe, womit sie auf alle Fälle klar kommen könnte? Riskiert man mit dieser Operation, dass es bei ihr eventuell zu Komplikationen käme, sie somit nicht mehr auf ihre Pfoten kommen würde, vielleicht sogar den Eingriff nicht überlebte? Oder dass ein Tierarzt es schlichtweg als seine Pflicht ansähe, die Fellnase einzuschläfern, obwohl sie für einen Tod noch nicht bereit scheint?

 

Der Mensch, dem sie sich anschloss, möchte für sie, dass sie einfach nur in ihrer gewohnten Umgebung so lange das Leben genießen soll, bis sie von sich aus bereit ist, loszulassen, das Leben auszuhauchen. Sie ist sehr betagt und man kann davon ausgehen, dass sie den nächsten Frühling nicht mehr erreichen wird.

 

Aus allen Richtungen tauchen selbst ernannte Tierschützer auf, die einen regelrechten Shitstorm zu diesem Thema ausgelöst haben. Der Mensch, der sich 18 Jahre lang so liebevoll um das Tier kümmerte, wird als Tierquäler abgestempelt. Die Tierschützer fordern, das Tier möge in Tierärztehände übergeben werden, ignorieren dabei, dass es für die Katze in ihrem Alter das Beste scheint, sie einfach in Ruhe zu lassen, sie nicht unnötigen Operationen auszusetzen. Gehört denn eine Krankheit nicht zum Leben selbst? Kann die Seele nicht nur dann reifen, wenn der Körper einer oder mehreren Prüfungen unterzogen wurde?

 

Sie fragen sich, warum ich diese Geschichte erzähle? Nun, schon seit Längerem ist mir klar, dass der moderne Mensch verlernt hat, zu akzeptieren, was in der Natur tief verankert ist und uns auferlegt wurde, indem wir in diese Welt geboren wurden. Er greift selbstbewusst in ein Leben ein, ohne die Naturgesetze verstanden zu haben, die er irgendwann einmal kannte, aber spätestens zu Beginn der Industrialisierung verlernte. Das Kätzchen möchte die letzten Monate seines Lebens ruhig zubringen, in der immer noch starken Herbstsonne liegen und sich in der Katzentraumwelt herumtreiben, das Elend der Menschenwelt verschlafen. Das Tier erlöst sich, wenn seine Seele bereit dafür ist, den Übergang in die immaterielle Welt zu vollziehen. Die Katze ist noch mit der Natur eng gekoppelt, erfühlt das Ende ihres Lebens, das sich dem modernen Menschen nie erschließen wird.

 

Ihr selbstgewähltes Ende würde so aussehen, dass sie das Fressen einstellten, somit in den Sterbemodus gelangen könnte und über die Regenbogenbrücke dämmerte. Meiner Meinung nach wäre das das Gnädigste, was man Katze und Vertrautem wünschen sollte.

 

Die Zeit wird zeigen, ob Molly in Würde sterben darf oder dem selbst ernannten Tierschutz zum Opfer fällt.