Ich hoffe, Sie mit meinen Igelchen nicht zu langweilen oder zu nerven. Ich liebe die kleinen Stacheltiere und sie sind mir sehr wichtig. Ich sitze jeden Abend bis knapp 24 Uhr bei ihnen und es ist toll, dass sie mich akzeptieren. Mittlerweile haben sich vier weitere Mitesser bei mir eingefunden, die eigentlich von ihrem Gewicht her keine Hilfe bräuchten, ich sie aber trotzdem gern unterstütze. Es sind einige Weibchen unter meinen Gästen, und ich sage mir, je dicker der Speck für ihre Mutterschaft, desto größere Chancen haben die kleinen, die nun bald geboren werden, auf ein Hineinkommen in einen guten tiefen gesegneten Winterschlaf und müssen nicht wie vergangenen Winter gepäppelt werden. So, aber nun zu meinen Nachbarn. Es hat sich einiges ereignet und ich fühle mich mittlerweile nicht mehr wohl, dass ich für unsere wilden Mitbewohner unterwegs bin.
Tagebuchauszug:
Es ist Anfang Juli. Meine Nachbarn sitzen auf ihrem Balkon, sprechen miteinander. Ich säubere gerade Igelstelle 1.
Nachbar: „Angezeigt gehört die, die da drüben.“
Nachbarin: „Kann man da nichts machen?“
Nachbar: „Nein, kann man nicht. Was willst du denn da machen.“
Kurze Unterbrechung. Warum soll ein Mensch, der sich intensiv um Artenschutz kümmert, angezeigt werden? Ich bin fassungslos. Nun aber noch eines: die beiden Alten schelten und schüren ununterbrochen gegen mich, wenn sie mich aber auf der Straße sehen, lachen sie mich an und grüßen überfreundlich. Was ist der Mensch? Ich denke, er ist nicht nur ein Egoist…
Sonntag, Mitte Juli, nachmittags. Es ist an diesem Tag sehr heiß. Zwei Igel laufen zeitversetzt auf der Straße, in der ich wohne. Woher der eine Igel gekommen ist (gegen 15 Uhr), kann ich nicht sagen, er kriecht aber durch die Hecke des vorderen Gartens. Eine Frau kommt zu mir an das Balkongeländer und bittet mich, mich um den Kleinen zu kümmern, damit er nicht wieder auf die Straße rennt und womöglich noch überfahren wird. Ich gehe zu ihm in den vorderen Garten, greife ihn mir problemlos, trage ihn zu Igelstelle 1 in den hinteren Garten und gebe ihm Wasser und Futter, welche er beide annimmt und ins Feld hinter unserem Haus, in den Mais verschwindet.
Gegen 21 Uhr entdeckte ich zufällig einen schwankenden Igel, der aus dem Garten meines Nachbarn kommt und orientierungslos auf die Straße läuft. Er torkelt ein wenig, macht lange Beine und einen Buckel. Er läuft ganz langsam in der Mitte der Straße. Ich renne schnell vor das Haus des Nachbarn, greife mir den Igel, werde dabei vom Nachbar beobachtet (ich kann nur eine Person am Fenster erkennen). Dieser lässt zornig seinen Rollladen nach unten knallen. Ich trage den orientierungslosen Igel in den hinteren Garten zu Igelstelle 1 und versorgte ihn. Er nimmt in meiner Gegenwart weder Fressen noch Wasser an, also lasse ich ihn allein. Ein bisschen frisst er und säuft auch, dann verschwindet auch er ins Maisfeld. Ich weiß nicht, was er für Probleme hatte, mir kommt aber intuitiv der Verdacht, dass der Igel von meinem Nachbarn misshandelt wurde, wobei er keine offensichtlichen Verletzungen hatte.
Ich bekomme mit, dass meine Nachbarn ein Gartenhaus bauen möchten, und die Igel wohl dort liegen, wo es errichtet werden soll. Ich mache mir Sorgen um die Kleinen, kann sie aber nur soweit unterstützen, dass ich sie beobachte.
Zudem sieht das mittlerweile so aus, dass sich meine Nachbarn durch mich gestört fühlen, weil ich in MEINEM Garten sitze. Sie lästern gern über jeden und alle und tun das in ihrem Garten oder auf ihrem Balkon, sind also nicht die liebsten Zeitgenossen und nun wissen sie, dass ich da schon das ein oder andere Gespräch mithören könnte.
Mein Gefühl bestätigt sich schnell, als ich die Tränke neu mit Wasser befülle und mich eine Weile im Schatten unseres alten Baums aufhalte.
Nachbar: „Dort drüben rennt sie wieder mit Wasser.“
Nachbarin: „Ja, ich sehs, ich kanns ja auch nicht ändern.“
Ich bin entsetzt über das Verhalten der beiden. Was haben die Igel ihnen gemacht? Sie liegen unter einem Strauch, ab und zu, mehr nicht. Sie verwüsten keinen Garten, sie fressen ihnen nicht die Blumen an. Sie sind harmlos. Und ich kann die beiden nicht mehr grüßen.
Haben Sie sich zum Thema Artenschutz schon einmal Gedanken gemacht? Der Mensch zerstört. Er macht kaputt, was sich über Jahrmillionen entwickelt hat. Der Igel ist beispielsweise 65 Millionen Jahre alt, und nun wurde er in knapp 30 Jahren an den Rand seiner Existenz gebracht.
Wie denken Sie darüber? Schreiben Sie Ihre Gedanken auf. Lassen Sie sie fließen. Assoziieren Sie.