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Stachelritter im Anmarsch

Mein Krafttier, nein, meine Krafttiere, die Igel schliefen, als es kalt war. Der Frühling zog ins Land, die Igel erwachten. Einige von ihnen konnten schon Ende März nicht mehr schlafen, andere wurden Mitte April munter und unternehmungslustig. Natürlich ist das viel zu früh für die Kleinen, die Stachelritter fanden nicht genug zu Fressen, da leider noch zu wenige Insekten unterwegs waren, wir schon im März mit extremer Trockenheit zu kämpfen hatten und somit Schnecken und Würmer unerreicht blieben und dadurch mussten sie, statt nur nachts umherzustreifen, nun auch tagsüber auf die Suche nach Essbarem gehen, so landeten sie wieder in meinem Garten. Sie können sich schon denken, was nun kommt. Natürlich nahm ich sie wieder unter meine Fittiche. Ja, sie bekamen nur das Beste.

 

So groß die Freude über die Igel war, ein Wermutstropfen blieb. Mein Nachbar. Anscheinend hatte er ein Problem damit, dass ich den Igeln, auch denen, die auf seinem Grundstück rumstreiften, zu fressen gebe. Er scheint sich tierisch darüber aufzuregen, dass sich die Igelchen zum Schlafen ab und zu unter einen seiner Sträucher legen. Doch lesen Sie selbst, was er und seine Frau so alles zu bereden haben.

 

Tagebuchausschnitte:

Ich stehe im Schlafzimmer am geöffneten Fenster. Nachbar Senior befindet sich in seinem Garten, redet ärgerlich mit einer Person, die ich nicht sehen kann: „Igel, überall Igel unter unseren Sträuchern. Guck, hier.“ Abends versucht er, die Igel über bsch-bsch-Laute und Hand- und Armwedeln aus (wohlgemerkt) meinem Garten zu vertreiben, was die Tiere aber nicht davon abhält, sich ordentlich den Bauch mit Futter zu füllen. Sie ignorieren meinen Nachbarn standhaft und ich muss lachen über die kleinen tapferen Kerlchen. Sätze fallen wie z. B. „Man muss doch was gegen die Tiere tun.“ Über diese Aussage erschrecke ich, da Igel sowieso schon unter besonderer Beobachtung stehen.

 

Zum Textverständnis, wir wohnen am Wald- und Feldrand, da kommt es schon manchmal vor, dass man ein Wildtier im Garten hat. Außerdem sind Igel Kulturfolger, was bedeutet, dass sie sich in unseren Gärten aufhalten, unterschlüpfen, meistens ihre Nester dort bauen, zuallererst dort ihr Fressen suchen.

 

Zu diesem Zeitpunkt kann ich mir kein Bild über die genaue Stückzahl machen, um wie viele Igel es bei den Nachbarn geht. Ich habe max. 6 Igel jeden Abend an der Futterstelle, darunter 3 meiner November-Päppeligel.

 

Aktivitäten mit Ultraschallgeräten beginnen, die auf dem Nachbargelände verteilt werden. Eine Wildtierkamera wird aufgehängt, die meinen (wieder wohlgemerkt MEINEN) Garten überwacht, was verboten ist. Doch will man gleich per Anwalt gegen Nachbarn schießen, mit denen man sich über 20 Jahre gut verstanden hat?

 

Es ist mittlerweile Mitte Juni, ich gehe im Garten zur Igelfressstelle (es gibt der Hygiene wegen 2) und kann die Nachbarn sehen.


Nachbar: „Die da drüben füttert die Igel schon wieder. Das gehört verboten. Die finden doch ihr Zeug zu fressen.“ Hat er mich nicht gesehen oder will er mich mit seiner Aussage provozieren? Ich weiß es nicht, reagiere deshalb auch nicht auf sein Geschwätz.


Nachbarin: „Wer füttert die?“ Nachbar deutet auf mich. Wir blicken uns in die Augen...

 

Ende Juni sitzen die beiden Alten auf ihrem Balkon, ich sitze vor der Igelstelle 1 und säubere sie. Der Nachbar zu seiner Frau, imitiert Igelbellen: „Blöde Igel. Hfhfhfhfhf, so hat er gemacht. Weg müssen die.“
Nachbarin: „Ha leg doch mal ein Kabel rüber.“ Was meinen die beiden damit? Wollen sie mir die Igel unter Strom setzen?

 

 

Wir können uns glücklich schätzen, noch ab und an einen Igel zu sehen. Durch den Klimawandel, das Insektensterben, sterile Gärten ist der Igel stark bedroht. Er muss, wie die Vögel auch, unter unsere Obhut gestellt werden, eine andere Chance hat er derzeit nicht. Vielleicht kommt die Zeit, wo es keine wilden Mitbewohner mehr gibt, vielleicht passen sie sich aber auch den sich schnell verändernden Gegebenheiten an. Wir werden sehen, wie sich alles entwickelt.