Die Angst geht um. Corona-Angst nennt sie sich. Längst ist klar, dass uns dieses Virus beschäftigen wird, lange. Sondersendung folgt auf Sondersendung, Artikel in Zeitungen und sonstigen Medien überschlagen sich. Corona ist präsent, hat uns alle am Wickel.
Bergamo, Norditalien. Es werden schreckliche Bilder gezeigt, haarsträubende Berichte gesendet. Die Menschen sterben wie die Fliegen, überwiegend alte Menschen. Ich muss an meine Eltern denken. Die möchte ich auf keinen Fall jetzt schon verlieren, nicht durch ein Virus, das man nicht sehen kann, gegen das man anscheinend noch nichts machen kann. Bergamo ist erschreckend. Frankreich ist erschreckend. Man schließt Grenzen.
Es bilden sich erste Lager: Menschen, die das Coronavirus ernst nehmen, solche, die das nicht wirklich kümmert, und diejenigen, die sich als absolute Leugner und Verschwörungstheoretiker entpuppen.
Alles wird verriegelt, wird dicht gemacht. Meine letzte Theaterveranstaltung, die in mein Abonnement fällt, wird abgesagt, die Gastronomie schließt, Geschäfte, die keine lebensnotwendigen Artikel verkaufen, schließen. Baumärkte haben geöffnet. Ein Mann mit einer Gasmaske aus dem ersten Weltkrieg steht vor mir an der Kasse. Die Kassiererin ist in eine Plastikblase eingewickelt, sieht ihre Kundschaft nicht mehr, sieht das Corona-Elend der heutigen Tage nicht, zieht einfach nur, wie man sie das angeheißen hat, die Ware übers Band und nimmt Geld, möglichst als Karte, entgegen.
Mir scheint diese Zeit unwirklich vorzukommen. Unwirklich aus dem Grund, weil in den Medien immer wieder berichtet wird, wie sozial sich die Menschen nun benehmen, wie hilfsbereit sie anderen Menschen gegenüber auftreten. Habe ich die falsche Brille auf, oder die Reporter? Was ich wahrnehme, ist das Gegenteil. Leute vermöbeln sich in Supermärkten, gehen sich aggressiv auf den Straßen an. Es werden unzählige Beiträge gepostet, die hetzerisch das Virus verleugnen oder verharmlosen. Was ist mit den Menschen passiert? Ist es ein Fehler, dass sich in unserem Land jeder zu Wort melden darf, auch wenn er kein Wissen und wenig Hirn besitzt, einen vernünftigen Beitrag in dieser Situation zu leisten?
Virologen melden sich zu Wort. Jeder hat eine andere Meinung. Alle versuchen jedoch, aufzuklären, an einem Strang zu ziehen, die Menschen sensibel im Umgang mit dem neuen Virus und den AHA-Regeln zu machen, etwas anderes hat man ja noch nicht entgegenzusetzen. AHA bedeutet Abstand-Hygiene-Alltagsmaske. Nun kommt es zu einem nächsten Phänomen. In Krankenhäusern werden Latexhandschuhe und Masken geklaut. Auch Toilettenpapier ist nicht mehr sicher.
Ich fühle mich in meiner Beobachtung bestätigt, dass der Mensch ein grenzenloser Egoist ist und ziehe mich in mich zurück. Ich beobachte, ich wundere mich, und ich bin immer wieder entsetzt darüber, dass Urlaub nach wie vor eine extrem große Rolle spielt und, obwohl immer mehr Länder zu Risikoländern erklärt werden, die Urlaubsplanung in Deutschland in vollem Gang ist.
Hat der Deutsche denn nur noch das Vergnügen im Kopf? Kann er, außer dass er seinen Urlaub plant, nichts mehr mit sich anfangen?