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Fahrstuhl des Grauens

Sicher kennen Sie alle diese Filme, in denen Menschen in einem Fahrstuhl feststecken, der Fahrstuhl absackt, Panik ausbricht, sie anfangen zu schreien, keiner sie hört. Irgendwie werden sie, untermahlt von spannender Musik und begleitet von viel Aktion, von mutigen Menschen befreit und alles geht gut aus.

 

Neulich musste ich in meiner Firma vom 2. Obergeschoss kurz ins Untergeschoss, eine Information persönlich einholen. 3 Etagen Treppen zu laufen konnte ich mir spontan nicht vorstellen und entschied mich kurzerhand, Fahrstuhl zu fahren. Eine Vision vor meinem inneren Auge: meine innere Stimme brüllte mich an, mich heute sportlich zu betätigen. Ich würde, wenn ich den Fahrstuhl benutzte, damit stecken bleiben. Ich ignorierte meine innere Stimme. Pah, ich dachte mir, jeder hätte wohl irgendwann einmal eine solche Vision. Ich stieg in den Glasaufzug im 2. OG ein, hatte eine herrliche Sicht auf die Montagehallte, drückte die Taste ins Untergeschoss. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung, fuhr statt nach unten ein Stück nach oben, ruckte abrupt, blieb stehen, ging in Störung. Ungläubig schaute ich auf das Störungszeichen und konnte kurz nicht glauben, dass meine innere Stimme Recht haben sollte.

 

Danach hatte ich das Gefühl, mein Herz würde einen Schlag lang aussetzen. Mein logisches Denken hatte sich verflüchtigt.

 

Ich klopfte an die Glaswände in der Hoffnung, dass mich jemand hören könnte. Keiner meiner Kollegen reagierte. Mir blieb nichts anderes übrig, als die Not-Alarm-Taste zu drücken. Eine Frau meldete sich durch die Sprechanlage, verstand mich nicht, brach die Verbindung ab. Ich drückte erneut die Not-Alarm-Taste, die Frau meldete sich erneut, verstand mich nicht, brach die Verbindung ab.

 

Diese Not-Alarm-Taste hatte wohl einen schrillen Ton in der Montagehalle ausgelöst, denn nun winkten mir viele Monteur-Kollegen entgegen. „Ich bin eingesperrt“, rief ich, und sie lachten. Hatten die nicht begriffen, dass ich steckte, vom Fahrstuhl des Grauens festgehalten wurde? Langsam wurde ich panisch. ‚Jetzt bloß nicht bewegen, um ein Abstürzen zu vermeiden‘. Bilder aus meinen Horrorfilmen strichen durch meine Erinnerung, die mir zeigten, wie die Kabine in die Tiefe stürzte. Meine Güte, vielleicht war ich kurz davor, ins Untergeschoss zu donnern? Ich begann zu zittern.

 

In der Montagehalle tauchte ein Elektriker auf, schaute zu mir auf. „Hilfe“, rief ich. Der Elektriker, so schnell wie er aufgetaucht war, war er nun wieder verschwunden und ich kurz vor einer ernsten Nervenkrise. ‚Ruhig bleiben, man hat mich gesehen, man holt mich hier raus‘, versuchte ich mir einzureden, aber ruhiger wurde ich nicht. Allerdings wurde das Zittern jetzt auch nicht heftiger. Einige Minuten später tauchte der Elektriker-Kollege neben meiner Fahrstuhltür auf. Ich war extrem erleichtert, ihn zu sehen, das Zittern ließ immer noch nicht nach. „Kann ich abstürzen?“, rief ich durch den kleinen Schlitz der Schiebetüren. „Bleiben Sie ganz ruhig“, antwortete er, „Ihnen passiert nichts. Wir holen Sie hier sofort raus“. Etwas ruhiger über diese Aussage und seine Gegenwart harrte ich der Dinge, die sich nun ereigneten.

 

Er telefoniert. Mit wem, war mir nicht klar. Aber plötzlich setzte sich der Fahrstuhl in Gang. Langsam senkte er sich ab. Millimeter um Millimeter bewegte er sich nach unten, gefühlte Stunden vergingen. Als er neu justiert war, wurde er voll abgelassen. Ich sauste ins Untergeschoss, und mit mir der letzte Rest Mut. Ich stürzte, ins Ungewisse. Unten angekommen, öffnete sich die Fahrstuhltür, meine liebe Kollegin stand davor, nahm mich in den Arm. „Ich habe gehört, dass du feststeckst. Wollte dich kurz drücken“. Schlotternd und zitternd stieg ich aus dem Fahrstuhl aus, glücklich, meinen Horrortrip überlebt zu haben. Ich begab mich in ihre Arme und fühlte mich wie ein Baby, total geborgen.

 

Der Elektriker, der mich befreit hatte, tauchte auf. Ich bedankte mich und er versicherte mir, dass mir nichts passiert wäre. „Normalerweise sind die Dinger bombensicher“, sagte er.

 

Auf dieses NORMALERWEISE wollte ich mich nicht mehr verlassen und laufe seither wieder Treppen.

 

Hatten Sie auch einmal ein ähnliches Erlebnis? Wie fühlten Sie sich? Wie wurden Sie befreit?

 

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