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Laternentag

11. November. In manchen Regionen heißt er St. Martin oder nur Martini, in anderen ist er der Laternentag. Er ist einer der traditionellen Tage, die die Adventzeit einläuten mit Lichterumzügen, Dambedeis (Weckemännern), Martinsgansessen. Er ist der Tag, an dem St. Martin durch die Straßen reitet, an dem geteilt wird, Kleidung und Nahrung.

 

Die Natur ist nun nahezu nackt, bereitet sich auf ihren tiefen Schlaf vor. Es wird früh dunkel, spät hell, es ist ungemütlich draußen, kalt. Eben trostlos spätherbstlich. Die Jahreszeit geht schon stramm auf den Winter zu. Gerade, als ich meine drei Kerzen ins Fenster stelle, geht die Sonne unter. Der Kindergarten meines Wohnorts hat die Bewohner in der Straße, in der ich wohne, darum gebeten. Um Lichter im Fenster. Ich schaue mich in der Nachbarschaft um. Meinem Fenster gegenüber hat mein Nachbar einen Jul-Block in seinem Garten in Flammen gesetzt, die anderen Nachbarn entzünden gerade einige Windlichter. Überall verteilen die Erwachsenen ihre Kerzen. Gespannt halte ich die Augen auf. Ich möchte die kleinen Laternensinger sehen. Um 18 Uhr sollen sie kommen. Es ist mittlerweile vollkommen dunkel geworden. Ich stiere auf die dunkle Straße. Höre ich da etwas? Ich bin mir nicht ganz sicher. Doch. Da ertönt eine Stimme, ein Lachen. Ein Kind kichert, dann ein zweites. Und plötzlich taucht aus dem Nichts ein kleines Licht auf. Noch eins. Und nun ein ganzes Lichtergewimmel. Leuchtend, bunt, hängen selbstgebastelte Ballons an Stecken. Werden gehalten von kleinen Menschenhänden. Scharen von Kindergartenkindern ziehen mit ihren Laternen durch die Straße, erhellen das Dunkel, singen Laternenlieder. Gerührt blicke ich ihnen entgegen, betrachte sie, als sie an mir vorbei ziehen, schaue ihnen wehmütig nach.

 

Auch ich war einmal Laternensinger. Ich kann mich noch gut an die Kindergartenzeit erinnern, als ich mit großer Freude und meiner selbstgebastelten Laterne fest in der Hand "rabimmel rabammel rabumm" nicht sang, sondern brüllte und sehr traurig war, wenn die Laterne einer Freundin oder eines Freundes brannte, weil die darin stehende Kerze umgefallen war. Mit zunehmendem Alter lernte ich mehr Lieder, wurden meine Laternen aufwendiger und hübscher. Als ich in die Grundschule kam, war in unserem Dorf Mode, sich in Gruppen zusammenzuschließen und von Haus zu Haus zu ziehen, Leckeres zu erhaschen. Das Ritual ging so, dass einer in der Gruppe bestimmt wurde, der den Klingelknopf betätigte. Danach wurden die Lieder, die gesungen werden sollten, festgelegt. Nach getaner Arbeit lag es an dem Besungenen, uns zu belohnen. Immer gab es Süßigkeiten, aber nicht immer hatten wir sie wirklich verdient, denn manchmal lagen wir in unserem Singen einfach nur falsch, sprich, eine halbe Oktave daneben. Einige Jahre fanden regelrechte Wettkämpfe statt, wer die meisten Süßigkeiten mit nach Hause brachte. Ein Flöten- oder Mundharmonikaspieler in der Sängergruppe brachte doppelten Umsatz. Am Ende des Abends, wenn wir jedes Haus mit unserem Gesang beglückt hatten, wurde die „Beute“ geteilt, ganz nach

St. Martin-Art.

 

Heute ist dieser Brauch leider in Vergessenheit geraten. Die Kinder ziehen zwar noch mit ihren Laternen durch die Straßen, aber nur die kleinsten, die Kindergartenkinder und bleiben nicht vor den Häusern stehen.

 

Können Sie sich an Bräuche erinnern, die in Vergessenheit geraten sind?

 

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